Es ist schon erstaunlich, wenn man den letzten steilen Wiesenhang quert und dann zum ersten Mal das Kirchlein St. Magdalena auf 1661 m Seehöhe erblickt – hart an den felsigen Abgrund gebaut. Dahinter erstreckt sich eine kleine überraschend flache Wiese, sofort wieder abgelöst von steilen Felswänden.

Ebenso erstaunlich ist die Aussicht von dort oben. In Richtung Norden sieht man auf Habicht, Ilmspitze und Kirchdachspitze. Genauso beeindruckend ist der Blick gen Süden, dort erstrecken sich Ross- und Wildgrube, darüber thront der wuchtig-felsige Muttenkopf. Sitzt man dort oben unter einem mächtigen Baum und kommt zur Ruhe, weiß man, warum manche von einem Kraftort sprechen.

Noch erstaunlicher, wenn man vom Talboden das Kirchlein am Berg sucht. Man kann es meist erst nach dem Abstieg erkennen, weil man nun weiß, wo es sich befinden muss. Wie kommt jemand auf den Gedanken, wohl noch vor dem 14. Jahrhundert an einen solch exponierten Ort eine Kirche zu errichten.

Die Identität des Bauherrn ist unklar. Erstmalig urkundlich erwähnt wird St. Magdalena im Jahr 1307, Fresken im Inneren des Kirchleins werden allerdings auf das Ende des 12. Jahrhunderts geschätzt. Es liegt also viel im Dunkeln.

 

Die Entstehungssage klingt abenteuerlich: Ein sündiger italienischer Adeliger wollte Abbitte für sein lasterhaftes Leben leisten. Er beschloss nun, dafür eine Kapelle für St. Magdalena zu errichten. Allein der geeignete Ort war ihm unklar. Diese Entscheidung sollte demnach ein Esel treffen, dem er hinterherlaufen wollte – egal wohin er ihn führen würde. Das Gespann überquerte alsbald den Brenner und bog erst in Steinach links ab. Kurz vor Ende des Gschnitztals brach er erschöpft zusammen, nicht ohne Gezeter und wild schreiend mit seinem Kopf den auserwählten Berg zu zeigen. Der italienische Adelige ließ nun an genau diesem Ort mit dem Bau des Kirchleins beginnen. Doch mochte der Bau nicht recht gelingen. Verzagt bat er Gott um Hilfe und sah erstaunt, mehrere Vögel Holzscheite vom Bau hoch in den Himmel und dann an die Flanke des nächsten Berges tragen. Dorthin eilte die Gefolgschaft und fand wundersamer Weise eben auf dem Platz des jetzigen Kirchleins ein geschnitztes Bildnis der Heiligen Magdalena. Dort oben ging der Bau dann überraschenderweise sehr einfach von der Hand.

Wahrscheinlicher ist, dass es sich bei dem jetzigen Ort des Kirchleins um einen viel älteren heidnischen Kultplatz handelt. Auch eine heute versiegte Quelle unter dem Chor lässt den Heimatforscher Dr. Hermann Holzmann zu diesem Schluss kommen. Die Kirche jedenfalls ist aus der Romanik und beherbergt die wohl ältesten Wandmalereien Tirols.

St. Magdalena entwickelte sich zu einem beliebten Wallfahrtsort. Neben anderen Edelleuten, Fürsten, Königen und Kaisern unterstützte auch Kaiserin Maria Theresia das Kirchlein (1717-1780). Nach diesen fetten Jahren läutete Josef II. dann mit der Auflösung der Klöster die mageren ein. Der akademische Maler Alois Höfer rettete das Kirchlein und vor allem die wertvollen Fresken durch weitreichende Restaurierungen in den Jahren 1960-1972 vor dem Verfall.

Die katholische Kirche feiert das Fest der hl. Magdalena am 22. Juli. An diesem Tag wird dorthin gepilgert und die Heilige Messe zelebriert – bei jedem Wetter!

Zwei weitere Pilgertage nach St. Magdalena sind der erste Samstag im Juni für das Dorf Ellbögen und der erste Samstag im September für die Patscher Gemeinde. Die Teilnehmer starten morgens in ihren Heimatdörfern – immerhin 20 bis 30 km entfernt. Eine Tafel bei einem kleinen Gatterl auf halben Weg vom Tal zum Kirchlein erklärt weshalb: „Bittschian tiat´s des Gatterl zua, sischt hobn mir in Ellbögen und Patsch vorm Wind koa Ruah!“ Also kann man hier durch eine kleine Achtsamkeit zwei Dörfer vor Problemen durch Wind und Sturm bewahren.

 

Die Wege nach St. Magdalena sind zwar alle steil ansteigend, aber unschwer. Es gibt kleine Varianten zu Beginn, alle Wege treffen sich spätestens auf 1470 m und führen dann über die letzten Serpentinen und zuletzt steile Wiesenhänge zum Kirchlein (1661 m). Ein Kreuzweg beginnt auf einer Forststraße zwischen Trins und Gschnitz. Dieser ist wohl als der „offizielle Weg“ auf St. Magdalena zu betrachten. Vom Ortsanfang Gschnitz führt eine kurze sehr steile Abkürzung auf den Kreuzweg hinauf. Der für mich schönste Weg beginnt am Dorfplatz in Gschnitz und führt zu Beginn über eine kleine Fußgängerbrücke über den Gschnitzbach. Anfangs steil und dann immer gemäßigt steigt man über gefühlt eine Million Wurzeln auf bis zum Martairbach. Man wird mit wunderschönen Blicken auf die steilen Felswände unterhalb St. Magdalenen belohnt! Je nach Kondition und Kraft sind alle Wege in ein bis zwei Stunden zu meistern.

Nach anstrengendem Aufstieg und zum längeren Verweilen und Genießen bietet sich die Einkehr in die dem Kirchlein angeschlossene Einsiedelei mit Jausenstation an. Pächter Peter Pranger verbringt dort die Sommer seit 1977 und stärkt die Leiber der Pilger und Wanderer.

Eine Warnung zum Schluss: Auch im Winter ist eine Wanderung bzw. Schneeschuhtour auf St. Magdalena äußerst schön. Allerdings ist die Lawinengefahr aktuell genau einzuschätzen. Die steilen Wiesenhänge am Ende der Tour und auch darüber bedrohen den Wanderer auch schon in tieferen Regionen durch die steil abbrechenden Felswände. Die dort immer wieder zu beobachtenden Lawinenkegel zeugen von dieser Gefahr.

Quellen:

  • Wikipedia
  • www.trins.tirol.gv.at
  • www.tirolischtoll.wordpress.com
  • www.tirolersonntag.at