Minusgrade – nur noch Indoor-Sport? Nein, wir lieben es raus zu gehen. Wir wollen Schneeschuh wandern, Skitouren gehen, skilanglaufen oder einfach nur draußen laufen gehen. Auch Extremausdauerbelastungen in den Wintermonaten, wie die 24-Stunden-Burgenland-Extrem-Tour, erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Es lohnt also, sich über mögliche Gefahren durch Sport in der Kälte Gedanken zu machen und aus diesen Überlegungen einige Handlungsstrategien abzuleiten, um seine Gesundheit nicht zu schädigen.

 

Hypothermie und Erfrierungen

Die Körpertemperatur wird durch den Organismus über periphere und zentrale Thermorezeptoren gemessen. Der Hypothalamus als die wichtigste Steuerzentrale des vegetativen Nervensystems im Zwischenhirn verarbeitet diese Informationen über Haut- und Kerntemperaturen und kann daraus resultierend eingreifen. Die erste Maßnahme ist die Drosselung der peripheren Durchblutung, um Kälteverluste zu vermeiden und die Körperkerntemperatur normal zu halten. Kommt es dennoch zu weiteren Wärmeverlusten, muss durch das allseits bekannte Muskelzittern aktiv Wärme produziert werden. Neben der Kälte spielen als verstärkende Faktoren Feuchtigkeit und Wind eine entscheidende Rolle. Wasser leitet Wärme viel besser als Luft. Somit kann sowohl vom Schweiß als auch vom Regen oder Nebel feuchte Kleidung den Wärmeverlust vervielfachen. Wind kann durch Verdunstung und Konvektion ebenso erheblich zum Wärmeverlust beitragen. Es wurden von verschiedenen Institutionen Tabellen zum sogenannten Windchill-Effekt veröffentlicht. Diese zeigen, wie dramatisch sich die Zeit bis zum Auftreten von Erfrierungen verkürzt, wenn höhere Windgeschwindigkeiten zu verzeichnen sind (z. B. http://ptaff.ca/humidex/?lang=en_CA#mref).

Werden die Systeme Vasokonstriktion und Muskelzittern überfordert, laufen Wintersportler Gefahr, zu unterkühlen (Hypothermie), Erfrierungen oder die milder verlaufenden Frostbeulen zu erleiden. Der „normale“ Sportler wird selten in eine Hypothermie geraten. Anders sieht es bei extremen Wintersportlern (24-Stunden-Burgenland-Extrem), Wintersportlern im Gebirge oder auch bei Sportlern im Sommer im alpinen Raum aus. Besonders gefährdend ist eine Immobilisierung durch eine Verletzung. Der relativ lange Rettungsweg und die limitierten Möglichkeiten der Erwärmung des Verletzten führen sehr oft zu einer Hypothermie. Rettungskräfte gehen daher immer von einer Unterkühlung des zu Bergenden aus. Schon bei leichter Hypothermie nimmt der Energieverbrauch zu, die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) nimmt ab, Schnellkraft und  Reaktionsgeschwindigkeit nehmen ab. Dies kann in einer Notsituation in den Bergen zu gefährlichen weiteren Problemen und zu zusätzlichen Verletzungen führen. Bei fortschreitender Hypothermie kommt es zu Einschränkungen des Bewusstseins und in der Folge auch zu Atem- und Kreislaufstillstand und letztendlich zum endgültigen Kältetod.

Wenn auch nicht so dramatisch, so können doch auch einfache Erfrierungen weitreichende Folgen haben. Zum Schutz der Körperkerntemperatur reduziert der Organismus wie oben beschrieben die Durchblutung der Peripherie („Life-Or-Limb-Antwort“). Finger, Zehen, Ohren und Nase sind davon besonders betroffen. Wir bemerken dabei ab einer Gewebetemperatur von <10°C eine Taubheit. Der Gefrierpunkt der Haut ist bei etwa -4°C. Man unterscheidet vier Grade der Erfrierung. Von teils schmerzhaften, blassen über schmerzhafte, blau-rote Areale mit Blasenbildung bis hin zu meist schmerzfreien, schwarzen abgestorbenen Hautstellen bzw. Gewebearealen.

Deutlich günstiger verlaufen Frostbeulen. Der Name ist irreführend, denn es entsteht keine klassische Beule und eine Erfrierung liegt dabei auch nicht vor. Es handelt sich um gerötete, teigige Schwellungen verursacht durch Kälte und begünstigt durch Feuchtigkeit. Erneut sind vor allem Finger, Zehen, Nase und Ohren betroffen. Es kommt zu einer spontanen Abheilung, meist innerhalb von zwei bis drei Wochen. Es kann aber auch zu eventuell störenden, narbigen Abheilungen kommen. Eine weitere kälteinduzierte Hautreaktion ist die sogenannte Kälteurtikaria (Urtikaria = Nesselsucht). Diese reicht von juckenden, rötlichen Hautstellen bis hin zu einem generalisierten Befall.

 

Was kann ich tun?

Die Neigung zu kälteinduzierten Gesundheitsproblemen ist sehr individuell. Jeder Sportler muss ausprobieren, bei welcher Temperatur er auf welche Kleidung angewiesen ist. Generell ist das bekannte „Zwiebelschalenprinzip“ sinnvoll, da auf verschiedene Witterungen reagiert werden kann. Des Weiteren sollte die innerste Schicht die entstehende Feuchtigkeit gut abtransportieren, um den Wärmeverlust zu minimieren. Bei höheren Windstärken kann jedoch auf eine windundurchlässige Schicht nicht verzichtet werden, um den negativen Folgen des Windchill-Effekts zu entgehen. Diese Schicht ist dann natürlich weniger atmungsaktiv, was zur höheren Durchfeuchtung der unteren Schichten beiträgt. Dieser negative Effekt (Wärmeverlust durch Feuchtigkeit) lässt sich aber auch bei hochwertigen Materialien nie ganz umgehen. Eine Mütze ist bei großer Kälte essentiell, da der Wärmeverlust über den Kopf erheblich ist. Handschuhe sind bis zu einem gewissen Kältegrad Geschmacksache, sollten aber bei tiefen Temperaturen mitgeführt werden, um spätestens bei Taubheitsgefühlen in den Fingern gewappnet zu sein.

Sportler, die sich abseits der normalen Wege aufhalten (Tourenskifahrer, Schneeschuhgeher, Bergläufer in alpiner Umgebung, …) sollten NIE auf eine Rettungsdecke und trockene Wechselkleidung in Ihrem Rucksack verzichten. Ein Absinken der Körperkerntemperatur ist in jedem Fall zu verhindern. Besonders bei Immobilität durch Verletzung, Dunkelheit oder plötzlich auftretenden Nebel ist der Sportler extrem gefährdet, durch eine Hypothermie in lebensbedrohliche Situationen zu geraten.

Bei gemeinsamen Unternehmungen in sehr kalter Umgebung, insbesondere bei begleitend hohen Windstärken, sollten nicht abgedeckte Hautareale (Gesicht) regelmäßig gegenseitig kontrolliert werden. Blasse Hautareale können rasch z. B. durch die Wärme der eigenen Hand aufgewärmt und dann verlässlich bedeckt werden. So kann durch eine einfache Maßnahme eine schmerzhafte und lästige Erfrierung verhindert werden!

Erfrierungen sollten rasch ärztlich versorgt werden. Ein rasches Aufwärmen (Wasserbad bei 37-39°C) ist so früh wie möglich durchzuführen, also auch schon vor Einlieferung in ein Krankenhaus. Die Körperkerntemperatur sollte in den Normbereich gebracht und dort gehalten werden. Ein erneutes Einfrieren schon aufgetauter Areale ist aber unbedingt zu verhindern.

Neben der korrekten Bekleidung ist bei langdauernden sportlichen Aktivitäten auch auf eine ausreichende Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme zu achten. Dies ist für eine adäquate Reaktion des Körpers auf die Kältebelastung essentiell.

 

Kälte und die Lunge

Wir atmen in Ruhe zwölfmal ein und aus. Bei einem Atemzugvolumen von 500 ml ergibt das ein Atemminutenvolumen von 6 l/min. In Ruhe, in einer gut klimatisierten Umgebung und bei Nasenatmung ist die Atemluft körperwarm und von hundertprozentiger Luftfeuchte. Bei körperlicher Aktivität in kalter Luft kommt es nun zu mehrfachen Problemen.

Kalte Luft ist generell trocken. Das Atemminutenvolumen kann bei intensiver körperlicher Belastung bis um das Dreißigfache gesteigert werden. Dies kann die Befeuchtungskapazität der oberen Luftwege überschreiten. Bei körperlicher Belastung und daraus folgend deutlich erhöhter Atemvolumina ist die Nasenatmung nicht mehr ausreichend, es wird auf Mundatmung umgestellt. Damit fehlt allerdings ein weiterer Anteil der „Befeuchtungsstrecke“, zu der die Nase gehört. Resultierend ist die Luft in den unteren Atemwegen kühler und deutlich trockener (1). So sank in einer Untersuchung aus dem Jahr 1982 (2) die Temperatur im unteren Bronchialsystem bei Raumtemperatur und normaler Atmung nach vier Minuten um 0,5 °C, bei forcierter Atmung (60 l/min) um 5,2 °C. Bei kalter Luft von -17 °C und natürlich geringerer Luftfeuchtigkeit ist der Temperaturabfall der Einatemluft im unteren Bronchialsystem nach 4 min Atemdauer höher: Temperaturabfall um 1,4 °C in Ruhe und um 7,6 °C bei einem Atemvolumen von 60 l/min. Das bedeutet, dass den unteren Atemwegen bei kalter Luft deutlich mehr Arbeit hinsichtlich der Erwärmung und „Befeuchtung“ der Atemluft zukommt. Die relative Luftfeuchtigkeit der nun erwärmten Luft soll bei 100 % gehalten werden, dies kann nur über die Abgabe von Wasser erfolgen. Hieraus folgt, dass der Wintersportler bei hoher Belastung durch die dadurch bedingte verstärkte Atmung in kalter Luft Wärme und viel Flüssigkeit verliert.

Neben diesen unmittelbaren Konsequenzen der kalten Luft in den Atemwegen (Wärme- und Flüssigkeitsverlust) scheinen Wintersportler bei langer und häufiger Exposition mit kalter Umgebungsluft auch mit Langzeitfolgen zu kämpfen zu haben. So leiden diese Athleten nachweislich häufiger unter respiratorischen Symptomen wie Husten, pfeifender Atmung, Atemlosigkeit und Enge in der Brust (1). Dazu zeigen sich bei Ausdauersportlern Hinweise auf eine gesteigerte entzündliche Aktivität in den Atemwegen (Entzündungszellen, Entzündungsbotenstoffe). Eine höhere Rate an Atemwegshyperreagibilität (Überempfindlichkeit der Atemwege) und Asthma bronchiale konnte bei Wintersportlern (outdoor und indoor) festgestellt werden. Es waren etwa 50 % der untersuchten Langläufer betroffen (4). Es wurden gar Beeinträchtigungen der Lebensqualität aufgrund des Hustens beklagt. Befragt wurden weibliche Elite-Langläufer. Diese Beeinträchtigungen wiesen jahreszeitliche Schwankungen mit einem Peak von Januar bis März auf (3).

In einer Langzeituntersuchung der Lungenfunktion von drei Elitelangläufern über neun bis zwölf Jahre wurden sich kontinuierlich verschlechternde Lungenfunktionsparameter beobachtet. Von diesen drei Individuen ausgehend können natürlich keine Schlüsse auf generelle Langzeitgefahren gezogen werden (5). Insbesondere interessant wäre, ob eine Beendigung der Kälteexposition (Training und Wettkampf) zu einem partiellen oder wie erhofft kompletten Rückgang der Beschwerden führt.

Die Symptome, die die Sportler berichten, sind nicht beweisend für eine manifeste Erkrankung. Kurzfristiger Husten nach einer Belastung ohne weitere Beschwerden hat sicher keinen Krankheitswert. Aber die Übergänge sind fließend. Besteht der Verdacht auf eine kälteassoziierte Atemwegsobstruktion müssen zu Anfang eine Spirometrie (Lungenfunktionsprüfung) und in der Folge Therapieversuche mit Erfolgskontrolle und Provokationstests durchgeführt werden. Bevorzugt sollten indirekte Teste durchgeführt werden, z. B. mittels Belastungstest auf einem Fahrrad.

 

Was kann ich tun?

Natürlich kann man einfach die Kälte kategorisch meiden. Allerdings müsste man hierbei weitgehend komplett auf Ausdauerbelastungen in der Kälte verzichten. Man kann auf Sportarten umsteigen, die eher durch Kurzzeitbelastungen charakterisiert sind (Sportrodeln, Fußball, Sprint). Die Grundlagenausdauer kann hierfür auch indoor trainiert werden. Fraglich ist allerdings, ob nicht auch repetitive, kurze Sprintbelastungen in der Kälte zu negativen Auswirkungen im Bereich der unteren Atemwege führen können. Hierbei gilt: Bei Symptomen sollte natürlich getestet werden, auch wenn nur Kurzzeitbelastungen in der Kälte ausgeübt werden.

Auf der anderen Seite kann die Intensität der Ausdauerbelastung in der Kälte und somit das Atemminutenvolumen gesenkt werden. Das wäre ein Kompromiss, allerdings selbst für die meisten Freizeitsportler ein fauler.

Ein Tuch vor dem Mund (z. B. in Form eines Schlauchtuchs) hilft sicherlich bei der notwendigen Befeuchtung und Erwärmung der Atemluft. Jeder, der dies über längere Zeit ausprobiert hat, kennt allerdings die dabei auftretenden Probleme. Durch die Feuchtigkeit des Tuches wird die Atmung erschwert. Dies zeigt sich vor allem bei hohen Belastungen und wird zunehmend zum Problem. Folge ist, dass der Sportler genau zu den Zeiten der Belastungsspitzen mit hohen Atemminutenvolumina, die potenziell die größten Probleme für die Atemwege darstellen, das Tuch vom Mund nimmt. Des Weiteren friert die Feuchtigkeit vor dem Tuch bei tiefen Minusgraden und schränkt somit die Brauchbarkeit weiter ein.

Eine deutliche Verbesserung dieser Probleme bringen hier Masken mit einem Wärmeaustauscher (z. B. LungPlus®). Zugegebenermaßen eine zwar gewöhnungsbedürftige, aber interessante Alternative. Laut Studie können Wärmetauscher den Wirkungsgrad eines kurzwirksamen inhalativen β-Sympathomimetikums (Medikament zur Erweiterung der Atemwege, siehe unten) erreichen (7). Im Selbstversuch erwies sich der Wärmeaustauscher anfangs als peinlicher Fremdkörper, aber sehr rasch als unmittelbar spürbare Erleichterung bei hohen Atemminutenvolumina.

Weitere nichtmedikamentöse, teils nur in Einzelbeobachtungen getestete Maßnahmen sind eine natriumarme Ernährung und eine hochdosierte Substitution mit Omega-3-Fettsäuren (Algenöl, Fischöl). Eine Beurteilung der Wirksamkeit ist jedoch aufgrund der mangelnden Studienlage (noch) nicht möglich.

Medikamentös stehen Präparate zur Erweiterung der Atemwege (kurzwirksame und langwirksame β-Sympathomimetika, inhalative Anticholinergika) und Entzündungshemmer (inhalative Kortikoide, Leukotrienrezeptorantagonisten, inhalative Cromoglicinsäure) zur Verfügung. Kurzwirksame β-Sympathomimetika und Cromoglicinsäure sollten 15-20 min vor der körperlichen Belastung inhaliert werden, wobei den β-Sympathomimetika hier sicherlich die größere Bedeutung zukommt. Ein rascher Gewöhnungseffekt ist jedoch möglich (Tachyphylaxie), der Wirkungsgrad wird dadurch deutlich eingeschränkt.  Diesen Nachteil haben die Leukotrienrezeptorantagonisten (z. B. Montelukast) nicht. Aufzupassen gilt es bei Wettkampfsportlern, die Anti-Doping-Bestimmungen sind zu beachten.

 

Literatur

  1. Sue-Chu et al (2017) Br J Sports Med; 46:397
  2. McFadden ER (1982) J Clin Invest; 69:700
  3. Kennedy MD et al. (2016) Scand J Med Sci Sports; 26:835
  4. Larsson K et al (1993) BMJ; 307:1326
  5. Vergès S (2004 Scand J Med Sci Sports; 14:381
  6. Krafczyk AM et al. (2011) Am Fam Physician; 84:427
  7. Beuther DA et Martin RJ (2006) Chest ; 129:1188

 

Autoren

  • Dr. Simon Straub, FA für Kinder- und Jugendmedizin, Diplom für Sportmedizin
  • Dr. Christian Irsara, Arzt für Allgemeinmedizin, Assistenzart für Labormedizin, Diplome für Sportmedizin, Notfallmedizin und Akupunktur.